Zwischen humanitärem Mandat und diskretem Profit
Was der Afghanistan-Fonds in der Schweiz über moderne Kriegsführung verrät
Vom Fiat-Geldsystem zur modernen Kunst des Krieges
Vor wenigen Tagen haben wir das Fiat-Geldsystem seziert und aufgezeigt, wie es die Welt in eine Spirale aus Schuldknechtschaft, Enteignung und Abhängigkeit treibt. Wir haben erklärt, wie Geld aus dem Nichts geschaffen wird, wer davon profitiert – und warum die Zentralbanken längst keine demokratisch legitimierten Institutionen mehr sind, sondern Werkzeuge einer global agierenden Finanzelite.
Heute gehen wir einen Schritt weiter. Denn die logische Folge eines solchen Systems ist nicht nur Armut und Ungleichheit, sondern eine neue Art der Kriegsführung: leise, effizient und buchhalterisch.
Wir zeigen heute am Beispiel Afghanistan, wie man eine Zentralbank plündert – ganz ohne einen Krieg zu gewinnen. Und wie ein ganzes Land vom Zugang zu seinen Reserven abgeschnitten wird. Und wie die Schweiz – das Land der vermeintlichen Neutralität – dabei eine zentrale Rolle spielt.
Ein geopolitisches Lehrstück in Echtzeit
Wer die Zentralbank eines Landes kontrolliert, kontrolliert nicht nur das Geld, sondern die Macht über das gesamte Land. Im klassischen Krieg marschierten Siegerarmeen in Hauptstädte ein und plünderten Paläste. Im modernen Krieg – der feinen, digitalen, finanziellen Variante – übernimmt man zuerst die Zentralbank: physisch, juristisch oder durch Entzug der Zugriffsrechte. Die wichtigste Waffe? Keine Kanone, sondern der Zugang zu internationalen Zahlungssystemen, Devisenkonten, SWIFT-Codes und digitalen Tresoren.
Wie man eine Zentralbank plündert
- Gold und Edelmetalle: Physisch lagernde Werte werden ausgeflogen oder durch „Sicherstellung“ eingefroren.
- Fremdwährungsreserven: Dollar & Co., meist bei westlichen Zentralbanken geparkt, werden per Knopfdruck gesperrt.
- Staatsanleihen & digitale Assets: Transferierbar über Strohleute, mit neuem Zugriff durch politische Anerkennung von Marionettenregierungen.
- Zugang zu Zahlungssystemen: Wer den Zugang zu SWIFT und Korrespondenzbanken kappen kann, stranguliert ein ganzes Land.
- Narrativkontrolle: Der Feind wird delegitimiert, das eigene Handeln moralisch überhöht.
Genau dieses Muster erlebte Afghanistan 2021.
Die Aufspaltung der Beute
Als im Sommer 2021 die Taliban in Kabul einmarschierten, hatten sie keine Panzer, keine Jets, keine Drohnen. Aber sie hatten einen Staat – zumindest formal. Was sie nicht hatten: Zugriff auf die 7 Milliarden US-Dollar, die der afghanischen Zentralbank gehörten.
Wo lagen die 7 Milliarden?
Die rund 7 Milliarden US-Dollar der afghanischen Zentralbank waren nicht ausschliesslich bei der US-Notenbank deponiert. Zwar befand sich der größte Teil – etwa 3,5 bis 4 Milliarden USD – bei der Federal Reserve Bank of New York, doch weitere Teile waren bei anderen westlichen Institutionen angelegt:
- Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Basel: Die BIZ verwahrte Teile der Reserven – eine Art „Zentralbank der Zentralbanken“, die sich stets neutral gibt, aber in Krisen auffallend leise bleibt.
- Internationaler Währungsfonds (IWF): Dort lagerten Sonderziehungsrechte (SDRs), eine Art elektronisches Guthaben, das gegen harte Währung getauscht werden kann.
- Weitere kommerzielle Banken in Europa und vermutlich auch in den Golfstaaten.
In Kabul selbst fanden die Taliban bei der Übernahme lediglich rund 100 Millionen USD in bar vor. Der Rest war digital blockiert. Ein moderner Finanzkrieg braucht keine Panzer mehr – ein Einfrieren reicht. Und das taten die USA prompt. Nicht, weil das Geld gestohlen worden wäre, sondern weil die neuen Machthaber politisch nicht genehm waren. So ist das in der Welt der „regelbasierten Ordnung“.
Die 7 Milliarden Dollar wurden dann in zwei Pakete aufgeteilt:
- 3,5 Milliarden USD: Für einen sogenannten Afghanistan-Treuhandfonds, der offiziell „dem afghanischen Volk“ helfen soll. Verwaltet in der Schweiz, dem Land der angeblichen Neutralität.
- 3,5 Milliarden USD: Weiterhin eingefroren in den USA, blockiert durch Klagen von 9/11-Opfern gegen die Taliban. Eine juristisch wacklige, aber propagandistisch geniale Konstruktion.
Der Afghanistan-Fund in der Schweiz:
Diskrete Enteignung mit PR-Schleife
Der „Afghanistan Fund“ mit Sitz in Genf wurde 2022 unter Beteiligung der Schweizer Regierung und der US-Regierung eingerichtet. Kein Vertreter der afghanischen Zentralbank, kein unabhängiger Repräsentant des afghanischen Volkes sitzt im Aufsichtsrat. Die Schweiz – einst Gastgeberin humanitärer Konventionen – stellt ihre Bürokratie heute bereit, um den Willen geopolitischer Hegemonen zu exekutieren.
Unter dem Vorwand, den Taliban keinen Zugang zu gewähren, wurde eine Struktur geschaffen, die alle Mittel an politische Bedingungen knüpft. Mit anderen Worten: Hilfe nur gegen Wohlverhalten.
Was der Treuhänder konkret mit dem Geld macht? Intransparenz. Keine detaillierten Offenlegungen, keine demokratische Kontrolle. Es gibt keine öffentliche Bilanz, keine Information, ob und wie mit den Geldern spekuliert, veranlagt oder gedeckt gehandelt wird. Die Frage stellt sich, ob hier nicht bereits still und leise die Mittel als Collateral (Sicherheiten) für andere internationale Operationen dienen. Die Geschichte kennt das schon: Ob „Judengold“ im Zweiten Weltkrieg oder Bürgschaften für Geheimdienstprojekte – die Schweizer Finanzindustrie hat Übung im diskreten Umgang mit fremdem Eigentum.
Der Verwaltungsrat besteht im Jahr 2025 aus drei Mitgliedern. Keines stammt aus der aktuellen Regierung in Kabul oder wird von ihr anerkannt:
- Dr. Anwar ul-Haq Ahady
- Dr. Shah Mohammed Mehrabi
- Alexandra Baumann (Schweizer Botschafterin)
Ein geplantes Afghan Advisory Committee wurde nie umgesetzt. Stattdessen gibt es ein International Advisory Committee – ohne direkte Beteiligung Afghanistans. Die Taliban haben keinen Einfluss auf den Fonds und lehnen ihn explizit ab. Das heisst: Das afghanische Volk soll profitieren, darf aber nicht mitreden.
Und jetzt wird es noch brisanter: Der Afghanistan Fund hat laut eigenen Angaben sein Vermögen inzwischen auf 3,98 Milliarden USD gesteigert (von ursprünglich 3,54).
So heisst es auf der Website:
„The funds set aside for the Afghan Fund initially constituted USD 3.5 billion in Afghan central bank reserves, and as of December 2024 its assets have surpassed USD 3.9 billion with investment earnings.“
Ein Fonds, der Rendite für wen erwirtschaftet? Für das „afghanische Volk“? Oder für internationale Investorenkreise?
Gleichzeitig ruft das afghanische Regime lautstark nach der Freigabe des Geldes:
„Dieses Geld gehört den Afghanen. Die bedingte Freigabe eines Teils ist für das Volk nicht akzeptabel. Wir wollen, dass es sofort nach Afghanistan transferiert wird.“ – Zabiullah Mujahid, Pressesprecher der Taliban und des Islamischen Emirats Afghanistan.
Doch statt das Geld zu nutzen, um akute humanitäre Bedarfe zu decken – etwa im Rahmen des Afghanistan Humanitarian Needs and Response Plan 2024, der mit 3 Milliarden USD Bedarf nur zu 53 % gedeckt ist – bleibt es offenbar unter Verschluss. Warum? Vielleicht, weil es bereits anderweitig gebunden oder verwendet wird oder als Sicherheit für andere politische Zwecke dient. Das Geld ist also da, aber scheinbar nicht für das afghanische Volk.
Immunität made in Switzerland
Und als Krönung hat der Schweizer Bundesrat dem Fonds am 1. Februar 2024 offiziell den Status der Immunität und Privilegierung verliehen. Damit sind die Verantwortlichen des Fonds gegen rechtliche, steuerliche oder politische Zugriffe geschützt. Die Begründung? Der Fonds habe internationale Bedeutung und seine Unabhängigkeit müsse gewahrt bleiben.
Ein weiteres Mal zeigt sich: Sobald es brenzlig wird, sorgt die Schweiz mit juristischen Schutzschilden dafür, dass niemand unangenehme Fragen stellt. Immunität statt Rechenschaft – ein bewährtes Mittel für diskrete Geschäfte.
Regimewechsel und die Rolle der USA: Ein bekanntes Muster
Der Fall Afghanistan steht nicht isoliert. Ob Irak, Libyen, Venezuela oder Syrien: Das Muster ist immer ähnlich.
- Eine Regierung wird politisch delegitimiert.
- Vermögen der Zentralbank im Ausland wird eingefroren.
- Eine alternative Regierung oder „Übergangsrat“ wird anerkannt.
- Die Kontrolle über die finanziellen Mittel wird umgeleitet.
Immer mit dabei: Die USA. Und im Hintergrund? Oft Strukturen, die dem britischen Finanzimperium nahestehen – ob Londoner Goldmarkt, Cayman-Inseln, City of London Corporation oder Oligarchenverwaltungsnetzwerke. Das British Empire mag politisch verblasst sein, aber ökonomisch lebt es in Netzwerken, Offshore-Strukturen und Denkfabriken weiter.
Neutralität war gestern
Die Schweiz hat sich damit erneut als „neutraler Dienstleister der Macht“ positioniert. Wie bereits bei den Russland-Sanktionen, der Rolle als Drehscheibe für WHO- und WEF-Projekte oder im Rahmen internationaler Sanktionsregime zeigt sich: Die weisse Weste ist ein PR-Mythos. In Wahrheit hat sich die Schweiz längst zum verlängerten Arm einer westlichen Finanzoligarchie gemacht. Wer das Geld kontrolliert, kontrolliert das System – und damit den politischen Ausgang ganzer Nationen.
Afghanistan ist kein Einzelfall. Er ist ein Modell. Ein Modell für eine Welt, in der Zentralbanken entmachtet, Volksvermögen eingefroren und Souveränität zur Verhandlungssache gemacht wird. Und die Schweiz? Die spielt mit. Still, diskret, effizient. Wie ein guter Buchhalter eben. Nur ohne moralische Bilanz. Oder wie Sunzi sagen würde:
„Der klügste Sieg ist der, bei dem der Feind sich selbst unterwirft, ohne dass du ihn bekämpfen musst.“
Die moderne Kriegsführung trägt Anzug, spricht diplomatisch – und parkiert Milliarden steuerbefreit am Genfer See.
Quellen:
Offizielle Website des Afghanistan-Fonds: Der „Fund for the Afghan People“ hat eine eigene Website mit einigen spärlichen Informationen: https://afghanfund.ch/
Bericht des US-Finanzministeriums: Das US-Finanzministerium hat eine gemeinsame Erklärung zur Einrichtung des Fonds veröffentlicht, die Details zur rechtlichen Grundlage und den Zielen enthält: https://home.treasury.gov/news/press-releases/jy0947
Bericht des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR): Dieser Bericht bietet eine detaillierte Analyse des Fonds, seiner Governance-Struktur und der Herausforderungen bei der Mittelverwendung: https://www.sigar.mil/Portals/147/Files/Reports/lessons-learned/SIGAR-24-07-LL.pdf
Artikel von Swissinfo: Ein Artikel von Swissinfo beleuchtet, warum die afghanischen Reserven in der Schweiz blockiert sind, und bietet Hintergrundinformationen zur Rolle der Schweiz: SWI swissinfo.ch
Bericht von Al Jazeera: Al Jazeera berichtet über die Kontroverse um die Entscheidung der USA, afghanische Mittel zurückzuhalten, und die Kritik daran: https://www.aljazeera.com/news/2022/2/11/theft-afghan-americans-decry-decision-to?utm_source=chatgpt.com
Vereinbarung über die Vorrechte und Immunitäten mit der Stiftung „Fund for the Afghan People“: https://www.news.admin.ch/en/nsb?id=99921
Sechzehn Monate nach seiner Gründung hat der von den USA unterstützte Fonds für das afghanische Volk noch keine Zahlungen für die vorgesehenen Zwecke freigegeben: https://www.voanews.com/a/afghan-fund-untapped-in-switzerland-taliban-make-no-demand-/7496914.html
Das Islamische Emirat erklärte, dass die Vermögenswerte nach Afghanistan zurückgeführt werden sollten und dass sie dem Volk dieses Landes gehören: https://tolonews.com/business-180864
Afghanistan Humanitarian Needs and Response Plan 2024: https://fts.unocha.org/plans/1185/flows
Sunzi, Die Kunst des Krieges: https://www.getabstract.com/de/zusammenfassung/die-kunst-des-krieges/16240
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