Das Vernehmlassung-Trickspiel
So fälscht man Zustimmung – ganz legal
Der Sommer der stillen Durchwinkerei
Der Bundesrat hat sich etwas ganz Besonderes ausgedacht: Den Ergebnisbericht zur IGV-Vernehmlassung (Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO) will er erst Ende Juni 2025 veröffentlichen – ganz zufällig kurz bevor das Parlament in die Sommerpause entschwindet. Die einen werden dann irgendwo zwischen Aare-Schwumm und Wanderhütte verschwinden, die anderen mit Piña Colada auf den Malediven an ihrem Sonnenbrand arbeiten. Was bleibt: keine Debatte.
Dabei ist der Stichtag klar: Bis zum 19. Juli 2025 müsste ein Opting-out (Widerspruch) formell eingereicht werden, wenn die Schweiz sich nicht völkerrechtlich verpflichten will, die neuen IGV in nationales Recht (sprich das Epidemiengesetz) umzusetzen. Heisst im Klartext:
Wenn die letzten Parlamentarier das Bundeshaus verlassen haben, ist der Drops gelutscht. Der Bundesrat taktiert – das Volk verliert.
Der eigentliche Skandal: Keine Auskunft zur Gewichtung
Nationalrat Rémy Wyssmann wollte es genau wissen: Nach welchen Kriterien gedenkt der Bundesrat die Vernehmlassungsantworten zu den IGV-Anpassungen zu gewichten? Seine Interpellation 25.3132 vom 18. März 2025 fragt explizit:
„Nach welchen Kriterien werden die Stellungnahmen der Vernehmlassung zur IGV-Revision gewichtet, insbesondere wenn sie in der inhaltlichen Beurteilung divergieren?“
Die Antwort des Bundesrats? Null. Kein Verfahren. Keine Skala. Kein Schema. Stattdessen ein Verweis auf das Vernehmlassungsgesetz – und ein nichtssagender Satz:
„Die Prüfung der Vernehmlassungsergebnisse erfolgt nach den ordentlichen Verfahren gemass Vernehmlassungsgesetz (VlG, SR 172.061). Der Vernehmlassungsbericht wird dem Bundesrat vorgelegt und der Öffentlichkeit zuganglich gemacht. Die Stellungnahmen werden auf der Website der Bundeskanzlei veröffentlicht (Art. 9 Abs. 1 Bst. b VlG). Gemäss Artikel 8 VlG werden die Stellungnahmen ausgewertet und gewichtet.“
Das heisst: Der Bundesrat behält sich vor, selbst zu entscheiden, was zählt und was nicht. Eine Einladung zur Beliebigkeit – oder zur politischen Gewichtungsmanipulation hinter verschlossenen Türen.
WIR sagen: So läuft das nicht.
Wenn der Bundesrat schweigt, zeigen wir an dieser Stelle sicherheitshalber schon einmal auf, wie einfach man das Ergebnis zurechtbiegen kann – je nachdem, wer zählt und wie gewichtet wird. Noch während der laufenden Sommersession werfen wir Licht auf ein Verfahren, das sonst im Schatten bleibt bis es zu spät ist.
Denn gewichtete Demokratie ist manipulierbare Demokratie – wenn niemand hinschaut.
Modell A: Gewichtung nach Bundesratsmethode
Wenn der Bundesrat nicht sagt, wie er gewichtet, dann legen wir es offen – nach dem, was politische Erfahrung und bisherige Verfahren in der Vergangenheit nahelegen:
Beispiel: 100 eingegangene Vernehmlassungen
- 20 WHO-nahe Institutionen, Bundesstellen, BAG → zählen für 60 %
- 30 Kantone und Wirtschaftsverbände → zählen für 30 %
- 50 kritische Organisationen, Juristen, Bürger, Fachpersonen → zählen für 10 %
Gesamt: 100 % – rechnerisch korrekt, demokratisch fragwürdig.
Denn: Was WHO-konform, verwaltungsfreundlich und systemnah ist, wird aufgewertet. Was kritisch, unabhängig und verfassungsbezogen argumentiert, wird entwertet.
Ein Beispiel: Ein dreiseitiger, fundierter Beitrag eines Professors für Verfassungsrecht wird weniger beachtet als eine zweiseitige Zustimmungsmeldung eines kantonalen Gesundheitsamtes, das eng mit dem BAG zusammenarbeitet.
Das ist keine demokratische Auswertung, sondern eine politische Vorauswahl. Demokratie als Simulationskulisse.
Modell B: Gewichtung nach WIR-Prinzip
Der Verein WIR hat sich alle Vernehmlassungsantworten angesehen – nicht nur nach Absender, sondern nach Inhalt. Und kommt zu einer eigenen Gewichtungsmethode:
100 eingegangene Vernehmlassungen – so gewichten WIR:
- 30 fundierte juristische oder verfassungsbezogene Einwände → zählen für 70 %
Diese enthalten Verweise auf BV, EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention), Epidemiengesetz, menschenrechtliche Bedenken und juristisch belegte Kritik. - 40 Erfahrungsberichte aus Praxis und Alltag → zählen für 20 %
Hier sprechen Ärztinnen, Lehrer, Pflegekräfte, Bürger. Was sie sagen, ist oft sehr konkret – und hochrelevant. - 30 Meinungsbeiträge ohne Argumente → zählen für 10 %
Auch Meinung zählt – aber nur, wenn sie sich nachvollziehbar einordnet.
Gesamt: 100 % – demokratisch ehrlich gewichtet.
Diese Methode bringt ein völlig anderes Bild:
- Nicht die Nähe zu Bundesstellen entscheidet,
- sondern die Nähe zur Realität und zur Verfassung.
Ergebnis: Klare Mehrheit gegen die IGV-Revision.
Zwei Modelle, zwei Wirklichkeiten:
Eine einfache Beispielrechnung mit 26 Kantonen
Hypothese: Zur IGV-Vernehmlassung gehen 126 Antworten ein:
- 20 von 26 Kantonen sagen JA, 6 sagen NEIN
- 20 Privatleute und Juristen sagen JA, 80 sagen NEIN
Also: 40 Ja-Stimmen, 86 Nein-Stimmen
Modell A: Der Bundesrat zählt Köpfe – aber unterschiedlich schwer.
Hier zählt nicht der Inhalt, sondern der Absender.
- Jede Kantons-Stimme wird stark gewichtet (z. B. 3-fach)
- Stimmen von Privatpersonen dagegen nur einfach oder gar reduziert (z. B. 0.25-fach)
So rechnet der Bundesrat (sinngemäss):
Gruppe | Anzahl | Gewichtung | Wirkung |
Kantone JA | 20 | ×3 | 60 |
Kantone NEIN | 6 | ×3 | 18 |
Private JA | 20 | ×1 | 20 |
Private NEIN | 80 | ×0.25 | 20 |
Gesamt JA | 80 | ||
Gesamt NEIN | 38 |
Modell B: Der Verein WIR zählt Argumente
Hier zählt der Inhalt – nicht die Visitenkarte.
- Fundierte verfassungsrechtliche Einwände = ×3
- Erfahrungsberichte = ×2
- Reine Meinung = ×1
Gruppe | Anzahl | Gewichtung | Wirkung |
Kantone JA | 20 | ×1 | 20 |
Kantone NEIN | 6 | ×1 | 6 |
Private JA | 20 | ×1 | 20 |
Private NEIN (80): | |||
→ 50 mit Erfahrung | 50 | ×2 | 100 |
→ 30 mit Verf.-kritik | 30 | ×3 | 90 |
Gesamt JA | 40 | ||
Gesamt NEIN | 196 |
Fazit: Was zählen wir eigentlich?
Menschen oder Meinungen? Verfassungen oder Visitenkarten?
Modell A gaukelt Zustimmung vor – durch politische Gewichtung.
Modell B zeigt den Willen der Bevölkerung – durch inhaltliche Fairness.
Diese Methode bringt ein völlig anderes Bild:
- Nicht die Nähe zu Bundesstellen entscheidet,
- sondern die Nähe zur Realität und zur Verfassung.
Ergebnis: Eine klare Mehrheit gegen die IGV-Revision.
Warum das zählt – und was jetzt zu tun ist
Wer Gewichtung missbraucht, um politisch vorab gewollte Resultate zu zementieren, betreibt eine demokratische Nebelaktion. Die Vernehmlassung ist kein PR-Instrument, sondern ein Schutzmechanismus – gegen genau das, was jetzt geschieht.
Deshalb fordern WIR:
- Die Offenlegung der Gewichtungskriterien durch den Bundesrat
- Eine unabhängige Auswertung der Vernehmlassungen (und nicht durch das BAG)
- Ein IGV-Opting-out (Widerspruch) vor dem 19. Juli 2025 – als einzig logische Konsequenz unabhängig vom Ergebnisbericht
Denn eines ist sicher: Die Uhr tickt. Die Manipulation läuft. Und das Parlament steht kurz davor, das wohl folgenschwerste internationale Vertragswerk seit Jahren durch Stillhalten und Schweigen durchgehen zu lassen, obwohl es um nichts Geringeres geht als unsere körperliche Unversehrtheit, unsere Entscheidungsfreiheit und unsere demokratische Selbstbestimmung.
Déjà-vu mit Ansage
Wir alle erinnern uns: Kontaktverbote. Schulschliessungen. Besuchsverbote im Pflegeheim. Masken für Kinder. Impf-Druck im Job. Digitale Zertifikate als Eintrittskarte ins öffentliche Leben. Millionen litten. Einige wenige profitierten. Und am Ende hiess es: „Wir wussten es ja nicht besser.“
Doch jetzt wissen wir es besser. Und was macht der Bundesrat?
Er schafft die Grundlage für ein System, das nicht nur Massnahmen kopiert, sondern sie zementiert: global, verpflichtend, digital durchgesetzt. Kein temporärer Ausnahmezustand mehr, sondern ein dauerhaftes Ausnahmeprotokoll auf Knopfdruck.
Die IGV-Ergänzungen sind kein Schutzschild. Sie sind der Türöffner für den permanenten Ausnahmezustand. Wer das vergessen hat, hat nichts verstanden. Und wer es ignoriert, macht sich mitschuldig.
Aber eines ist ebenso klar: WIR machen da nie wieder mit. Nicht bei Angstkampagnen. Nicht bei Notrecht per Knopfdruck. Nicht bei globalem Gehorsam auf Zuruf. Denn eines haben wir verstanden: Sie haben damals geprobt, wie weit sie gehen können – und wir haben gelernt, in welcher Form wir beim nächsten Mal zurückschlagen müssen. Und das wird nicht mit Singen und Tanzen um die Bundesverfassung geschehen.
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