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Jetzt verstehen wir die FDP: Frei – bis zur Selbstaufgabe

24.Okt.. 2025 | 0 comments

Jetzt verstehen wir die FDP

Frei – bis zur Selbstaufgabe

(Ein Kommentar des Vereins WIR, Oktober 2025)

Der liberale Jubel in Bern

330 zu 104 Stimmen. Die FDP-Delegiertenversammlung vom 18. Oktober 2025 in Bern hat gesprochen: Ein klares Ja zu den Bilateralen III.

Wer braucht schon Souveränität, wenn man in Brüssel dafür Applaus bekommt? Die Parteiführung jubelt, die Medien applaudieren, Cassis und Franzen atmen auf. Endlich, heisst es, bewege sich die Schweiz wieder auf Europa zu, ganz ohne Souveränitätsverlust, selbstverständlich.

Ein bisschen Marktfreiheit hier, ein bisschen Bürgervertrauen dort, alles im Gleichgewicht. Und das Bundeshaus nickt brav, als wäre gerade ein Grundsatzentscheid für den Wirtschaftsstandort und gegen die nationale Einigelung gefallen.

Doch kaum jemand stellt die einfache, aber unbequeme Frage: Was ist das eigentlich für ein Europa, dem wir da beitreten sollen? Denn während in Bern die FDP-Delegierten den Souveränitätstest mit 330 Ja-Stimmen für bestanden erklären, arbeitet Brüssel an einem neuen Projekt, das Souveränität neu definiert: für Konzerne, nicht für Staaten.

Historischer Kontext: Der Freisinn und die Macht

Wer heute überrascht ist, dass die FDP mit Begeisterung in jedes neue Integrationsprojekt rennt, sollte einen Blick in ihre DNA werfen. Die FDP (damals Freisinnige Partei, gegründet 1894) entstand aus dem freisinnigen Lager, das schon seit 1848 die Schweiz dominierte. Das waren die liberalen Sieger der Sonderbundszeit: Industrielle, Banker, Juristen, höhere Beamte, gebildete Städter. Kurz: jene, die die moderne Schweiz bauten und gleichzeitig sicherstellten, dass sie ihnen gehörte.

Sie repräsentierten die aufstrebende Exportindustrie (Maschinen, Textil, später Chemie), die Grossbanken (später UBS und CS), und das Bildungsbürgertum, das Staat, Verwaltung und Universitäten prägte. Die Landbevölkerung, die Handwerker und Bauern, also das, was man heute KMU nennen würde, kamen erst Jahrzehnte später politisch zu Wort, mit der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, der heutigen SVP.

FDP = Partei der Besitzenden

Der Freisinn war von Beginn an wirtschaftsliberal, aber eben nicht im Sinne von «Freiheit für alle», sondern im Sinne von Eigentumsschutz für die Besitzenden. Er war nie die Partei der kleinen Unternehmer, sondern derjenigen, die Kapital, Einfluss und Gesetzgebung in einer Hand hielten.

Wenn man’s brutal ehrlich sagt: Die FDP stand immer für die Freiheit des Kapitals, nicht für die Freiheit des kleinen Mannes.

Dass sie sich später als «Partei der KMU» inszenierte, war reine Imagepolitik. Eine Markenstrategie, die aufkam, als die SVP begann, den Mittelstand zu mobilisieren. Während man in Reden den «Mut der Selbstständigen» beschwor, sass man längst in den Verwaltungsräten der Banken, Versicherungen und multinationalen Konzerne. Volksnähe wurde zur Folklore, während die Parteielite Politik als Verwaltungsratsgeschäft betrieb.

Und heute?

Heute ist die FDP, trotz einiger aufrichtiger Wirtschaftsliberaler an der Basis, vollständig im Oligarchenmodus. Sie ist die Partei der Netzwerke: Big Finance, Pharma, Energie, Kanzleien, Verbände. Immer dieselben Namen, die zwischen Politik, Wirtschaft und Aufsichtsrat rotieren. Eine Partei, die ihre eigenen Ursprungswerte nur noch als rhetorisches Requisit verwendet.

Man könnte sagen, und man sollte es endlich tun:

Der Freisinn war nie frei, nur freizügig im Umgang mit Macht.

Wer sich fragt, warum dieselben Kräfte, die einst in Zürich, Basel oder Bern das Wirtschaftsrecht prägten, heute in Brüssel über digitale Firmenstaaten verhandeln, braucht keine Verschwörung zu wittern, nur Geschichtsbewusstsein. Der Freisinn hat sich nie verändert, er hat sich nur skaliert. Was einst die wirtschaftliche Elite der Schweiz war, ist heute die europäische Funktionselite: vernetzt, global, juristisch abgesichert.

Und so erstaunt es kaum, dass die FDP heute mit leuchtenden Augen auf das nächste Kapitel dieser Entwicklung blickt, den Schritt vom Nationalstaat zum Konzernstaat. Was als Integration verkauft wird, ist in Wahrheit die Fortsetzung derselben alten Idee mit neuen Werkzeugen: Macht ohne Haftung, Einfluss ohne Verantwortung. Das wird auch mit dem 28 . Regime in der EU angestrebt.

Das 28. Regime

ein Staat ohne Bürger, dafür mit Upload-Funktion

Die EU-Kommission nennt es harmlos das «28. Regime». Ein Begriff so technokratisch, dass er perfekt dazu taugt, niemanden zu beunruhigen.

Doch was sich dahinter verbirgt, ist ein juristisches Novum: Die EU will ein eigenes virtuelles Staatswesen für Unternehmen schaffen. Ein paralleles Rechtssystem, das Firmen erlaubt, sich von nationalen Gesetzen zu verabschieden und stattdessen nach EU-weitem Sonderrecht zu operieren, ohne Sitzpflicht, ohne Mindestkapital, ohne Mitbestimmung.

Nationales Recht? Optional.
Arbeitnehmerschutz? Auf Newsletter-Niveau.
Steuern? Koordiniert, aber bitte flexibel.

Mit diesem 28. Regime sollen sogenannte innovative Unternehmen (Start-ups, Scale-ups, Holdings, kurz: alle mit solidem Lobbybudget) binnen 24 Stunden ihre europäische Existenz gründen können. Voll digital, voll automatisiert, und wenn es Streit gibt, auf Englisch, bitte. Denn vorgesehen sind «specialised courts with English-language options».

Ein Konzernstaat 2.0, ein TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) im Dauerbetrieb: keine Zölle, keine Grenzen, keine Verantwortung.

Von der Leyens Konzernutopie

In Ursula von der Leyens Rede zur Lage der Union am 10. September 2025 fiel der Satz, den kaum jemand hörte:

«Für innovative Unternehmen bereiten wir das 28. Regime vor.»

Hinter diesem harmlosen Satz steckt die wohl grösste juristische Weichenstellung seit dem Binnenmarkt: Die Schaffung eines 28. Mitgliedslands für Konzerne.

Das Konzept stammt nicht etwa aus der Feder der Kommission, sondern aus der der EU-Inc.-Lobby, einem Zusammenschluss aus Venture-Capital-Fonds, Tech-Konzernen und Kanzleien, die das Wirtschaftsrecht über den demokratischen Prozess heben wollen.

Ihr Motto: Ein Unternehmen, ein Europa, keine Grenzen.

Die Kommission übernimmt diese Blaupause nahezu wortgleich. Das European Trade Union Institute (ETUI) warnt in einem aktuellen Policy Brief, dass das 28. Regime Arbeitsrecht, Sozialversicherung und Steuerpflicht aushöhlen werde. Ein Freipass für Sozial- und Steuerdumping im Namen der Wettbewerbsfähigkeit.

Mit dem 28. Regime schafft Brüssel einen digitalen Offshore-Kontinent, mitten in Europa, aber jenseits des Rechtsraums der Mitgliedstaaten.

Und die FDP? Euphorisch blind.

Die FDP-Delegierten haben also beschlossen, dass die Bilateralen III kein Ständemehr brauchen, weil sie keine Verfassungsänderung und keinen Beitritt zu einer supranationalen Organisation darstellen.

Juristische Selbsthypnose wäre schmeichelhaft. Was hier betrieben wird, ist politischer Autopilot mit Blindflug in Richtung Brüssel.

Denn die EU weiss offenbar selbst nicht, ob sie noch eine Union der Staaten oder längst ein Staatenüberbau der Unternehmen ist. Mit jedem neuen Vertrag, den Bern unterschreibt, rückt die Schweiz tiefer in ein Gebilde hinein, das nicht mehr national, sondern postnational denkt.

Wenn also die FDP behauptet, die Schweiz bleibe souverän, dann müsste man fragen: Souverän wovon? Von der eigenen Gesetzgebung? Von demokratischer Kontrolle? Oder nur noch souverän genug, um das EU-Unternehmensrecht pflichtbewusst zu vollziehen?

Bilaterale III und das Prinzip der schleichenden Integration

Das Mantra der FDP lautet: Die Schweiz braucht Europa. Aber das Europa, das heute entsteht, ist nicht das Europa der 1950er, sondern das der 2050er: ein Europa der Plattformen, Fonds und regulatorischen Parallelwelten.

Die Bilateralen III werden so zur Brücke in einen Rechtsraum, den Brüssel gerade umbaut, ohne Volksabstimmung, ohne Transparenz, dafür mit politischer Schönrederei.

Wenn die Schweiz diese Verträge ratifiziert, verpflichtet sie sich, europäisches Recht zu übernehmen, dessen Inhalt sich dynamisch ändert. Was heute noch nach technischer Harmonisierung klingt, kann morgen schon ein verpflichtendes Anerkennen des 28. Regimes sein.

Dann könnten sich Firmen, die in Brüssel digital registriert sind, problemlos in Zürich niederlassen und dort Schweizer Arbeitskräfte zu EU-Start-up-Billiglöhnen beschäftigen. Kein Mindestlohn, kein GAV (Gesamtarbeitsvertrag), keine Sozialabgaben. Ein legales Sozialdumping made in Brussels und der Bundesrat nennt es Integration.

Kurz: Kein Sitz, kein Register, kein Problem. Brüssel liefert die Lizenz zum Unsichtbarsein.

Der Konzernstaat klopft an die Alpen

Das 28. Regime ist die logische Fortsetzung eines Trends, den man schon bei der SE (Societas Europaea) beobachten konnte: Jede neue EU-Unternehmensform diente dazu, nationale Rechte ein Stück weiter zu neutralisieren.

Nun geht man den letzten Schritt: von der Harmonisierung zur Entkopplung.

Während Gewerkschaften vor dem Ende der Arbeitnehmerbeteiligung warnen, freut sich die Wirtschaft über 24-Stunden-Gründungen und englischsprachige Schiedsgerichte.

Man braucht keinen Sitz, keine Betriebsräte, keine Löhne nach nationalem Standard. Es reicht eine E-Mail-Adresse und ein Anwalt mit WiFi.

Europa im Griff der Konzerne

Wer heute noch glaubt, die EU sei ein demokratisches Projekt, sollte einen Blick auf ihre wahren Machtachsen werfen: Pharma, Rüstung, Big Tech etc. Diese bestimmen längst, was «europäisches Interesse» heisst. Die Kommission erlässt Verordnungen, die von denselben Lobbygruppen entworfen werden, die später davon profitieren. Nur im Interesse der in der EU lebenden Menschen geschieht dabei längst nichts mehr. Das «europäische Interesse» meint heute die Bilanzzahlen globaler Konzerne, nicht die Lebensrealität der Bürger.

Das 28. Regime ist nur die juristische Vollendung dieses Zustands. Ein Europa der Konzerne, das Demokratie nur noch als PR-Kulisse braucht. Nicht mehr die Bürger entscheiden über Europa, sondern die, die Europa besitzen.

Das Ganze nennt man Konzernfaschismus: Ein System, in dem der Markt den Staat ersetzt und Lobbyisten die Gesetze schreiben. Kein Putsch, kein Diktator, nur eine Excel-Tabelle mit Gesetzescharakter.

Fazit: Liberale Blindheit als Programm

Man könnte es Ironie nennen: Ausgerechnet die Partei, die einst mit «Freiheit, Eigentum, Verantwortung» warb, stimmt heute einem Projekt zu, das Freiheit für Konzerne, aber Auflagen für Bürger bedeutet, Eigentum globalisiert und Verantwortung entkernt.

Die FDP nennt es noch immer Liberalismus, wenn sie sich von Konzerninteressen lenken lässt. Früher nannte man so etwas schlicht: Dienstleistung am Meistbietenden.

Das 28. Regime ist die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat: Wie entzieht man Konzerne nationaler Kontrolle, ohne dass es jemand merkt? Nun wissen wir es. Und jetzt wissen wir auch, warum die FDP so begeistert ist: Weil sie glaubt, das sei Fortschritt. In Wahrheit ist es nichts anderes als Selbstentmachtung. Im schicken Kostüm der europäischen Integration.

Dann werden die Liberalen ihr Paradies gefunden haben. Ein Europa ohne Grenzen, ohne Gewissen und mit Korruption als einziger verlässlicher Institution.

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